Sollte der Arbeitnehmer in Frankreich seine Arbeit nicht korrekt ausführen stellt sich grundsätzlich für den Arbeitgeber folgende Frage: Handelt es sich hierbei um eine ihm direkt vorwerfbare vorsätzliche Handlung/Unterlassung oder liegt vielmehr eine berufliche Unzulänglichkeit vor (der Arbeitnehmer ist schlichtweg überfordert)? Die Grenze ist sehr schwierig zu ziehen, im französischen Arbeitsrecht jedoch enorm wichtig, da jeweils unterschiedliche Gesetze zur Anwendung kommen können.
So unterliegt das Kündigungsverfahren aufgrund eindeutigen Fehlverhaltens/Unterlassens des Arbeitnehmers in Frankreich eindeutig den durchaus fraglichen Präklusionsfristen gem. Art. L. 1332-4 Code du Travail mit der Folge, dass zwingend innerhalb von zwei Monaten ab Kenntnisnahme des Fehlverhaltens/Unterlassens des Arbeitnehmers eine Abmahnung bzw. die Einleitung des Kündigungsverfahrens zu erfolgen hat, da andernfalls diese verjähren. Das gleiche gilt hinsichtlich der zwingend einzuhaltenden maximalen einmonatigen Zustellungsfrist des Kündigungsschreibens nach erfolgtem Kündigungsvorgespräch.
Bei Vorliegen von beruflicher Unfähigkeit hingegen ist der soeben genannte Artikel nicht anwendbar. Eine Präklusionsfrist mithin nicht gegeben.
Kündigung eines Baustellenleiters in Frankreich
Der Cour de Cassation (Höchste Revisionsinstanz in Frankreich) hat diese Unterscheidung nochmals in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 (n° 13-22377) konkretisiert. In diesem Rechtsstreit hat eine Baufirma ihrem Arbeitnehmer, einem Baustellenleiter, vorgeworfen, interne Firmenabläufe nicht beachtet zu haben (Freigabe der Nachträge von Subunternehmern ohne vorherige Freigabe des Subunternehmers) mit der Folge, dass daraus der Baufirma ein erhebliche Schaden entstanden ist. Der Cour de Cassation hat dieses Fehlverhalten unter den Tatbestand der beruflichen Unfähigkeit des Baustellenleiters subsumiert und die erfolgte Kündigung als rechtmäßig bewertet.
Im Vergleich zu anderen Kündigungsgründen reicht die berufliche Unzulänglichkeit allein bereits schon aus, eine Kündigung in Frankreich zu rechtfertigen. Es wird jedoch zwingend gefordert, dass die der Kündigung zugrundeliegenden Elemente, auf die sich die Kündigung stützt, präzise, objektiv und materiell nachprüfbar dargelegt werden.
Die Betriebszugehörigkeit spielt ebenfalls bei der Beurteilung, ob berufliche Unzulänglichkeit vorliegt, eine entscheidende Rolle (je kürzer die Betriebszugehörigkeit, desto weniger wird wohl dem Arbeitnehmer Vorsatz vorzuwerfen sein).